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Freitag, 9. November 2012

Bemerkenswerte Mittelformatkamera Pouva Start, Teil1

oder „Es war einmal...“ ein angehender Fotograf, der über einen freundlichen Kontakt eine gebrauchte Spiegelreflexkamera erstand und als Zugabe einen seltsamen schwarzen Kunststoffkasten in die Hand gedrückt bekam. Wie man sich nun schon denken kann, handelte es sich um eine einfach Kamera, die Pouva Start.

Vor mehr als zehn Jahren, als der Untergang der analogen Fotografie mit riesigen Schritten über die Menschheit hereinbrach. Erhielt ich also zufällig ein staubiges Leichtgewicht mit primitivem Verschluss und einer an Einfachheit kaum zu übertreffenden Linse. Doch im schwarzen Herzen dieses Kastens ist Platz für Rollfilm. Sie zeichnet Licht im Format 6 x 6 cm auf. Genauer sind es 5,7 x 5,7 cm. Ja,ja, das habe ich an mehreren Modellen nachgemessen. Eben diese Kombination aus großem Aufnahmeformat und minimalem optischen und mechanischen Aufbau war zu ihrer Entstehungszeit (1.Modell ab 1952) weit verbreitet. Das sorgte für recht brauchbare Ergebnisse, denn die Negative waren schon groß genug, um noch Details trotz mäßiger Linsen einzufangen. Sie erlaubten auch die günstige Herstellung von Kontaktabzügen ohne aufwändige Vergrößerungsgeräte. Genau dieses ökonomische Gesamtkonzept machte auch die Pouva Start zu einem sehr erfolgreichen Kind Ihrer Zeit.
In all ihrer Einfachheit hat die Kamera natürlich einen sehr begrenzten Einsatzbereich. Das fest fokussierte Objektiv hat eine ebenso feste Brennweite. Es gibt nur eine automatisch ablaufende Verschlusszeit von 1/25s((laut Anleitung, andere Quellen sagen 1/30s) und die „Zeitaufnahme“ . Bulb nennt sich das heute und meint Belichtung für die Dauer des Drucks auf den Auslöser. Immerhin bekam sie einen Standardanschluss für externe Auslöser. Neben den üblichen Drahtauslösern konnten auch einstellbare mechanische Auslöser eingesetzt werden. Damit war eine genauere Vorgabe der Belichtungszeiten oder Aufnahmeverzögerung möglich. Am Objektiv kann zwischen zwei Blenden (Wolke und Sonne :-) gewählt werden. Laut Anleitung sind das 1:8 und 1:16. Der Sucher ohne jeglichen Parallaxenausgleich ist nur eine schwache Hilfe bei der Komposition. Die Kamera ist kaum staubdicht. So fand ich in allen Exemplaren reichlich Schmutz im Sucher und im Objektiv + Verschluss. Das angenehme, geringe Gewicht ist das Einzige, was starke Beschädigungen der Kamera verhindert. Wie viele alte Geräte aus Bakelit, ist aber leider auch die Pouva Start kaum ohne abgeplatzte Stellen und abgebrochene Teile zu finden. Besonders gern verschwinden die filigranen Gurtpins (siehe Foto).
Technische und historische Informationen habe ich auch aber dafür ist hier kaum noch Platz. Selbst finden ist angesagt! Pouva.net und Wikipedia sind gute Startpunkte für weiterführende Investigation.
Nun aber zur wichtigsten Frage. Kann man damit fotografieren? Wie sehen die Ergebnisse aus? Ja natürlich geht das und die Ergebnisse sehen “alt“ aus. „Retro“ und „Vintage“ müsste ich sagen, wenn ich Verkäufer wäre und jedem alten Mist ein tolles Label geben wollte. „Interessant“ ist die Vokabel für den experimentierfreudigen Bildermacher. Man sieht den Bildern oft an, dass die Linse nicht vom Feinsten ist und dass die Verschlusszeit richtig lang ist. Allerlei Phänomene aus dem Reich der Abbildungsfehler finden sich auf den Fotos ein.

So sieht dann eine Winterlandschaft aus, mit Farbstich im Gegenlicht und Vignettierung. Etwas Schärfe gibt es auch nur irgendwie nicht so richtig. Eine Abwechlsung im hochaufgelösten digitalen Bilderwald ist so ein Foto allemal. Eine Erweiterung des gestalterischen Horizontes ist es sicher. Wer günstig und dabei echt alt aussehende Bilder machen möchte, ohne Filterfummelei im Photoshop, der muss die Pouva Start oder ein anderes Gerät der Zeit unbedingt ausprobieren. Für 5-10 Euro (oder als Geschenk :-) hält sich die Investition in Grenzen. Meinen Vortrag aus dem Post zu Stativen muss ich hier aber noch einmal erwähnen. Diese Kamera braucht ein Stativ und zum Einstieg einen gutmütigen ISO 400 Rollfilm, dann klappt es auch mit den Bildern. Das tollste für Studiofotografen ist der Blitzkontakt. Wirklich, es gibt ihn, er versteckt sich nur bei eingeschraubtem Tubus. In Btriebsbereitschaft ist der Kontakt gut zugänglich und funktioniert! Mittelformat im Studio für fast kein Geld, Retro-Look ohne Photoshop, ein Hauch Geschichte, ein kleines Abenteuer, das alles bekommt man mit der Pouva Start.

Für's Herz des modernen Konsumenten ein Auszug aus der Bedienungsanleitung - ein Text, den heute sicher kein Hersteller mehr schreiben würde. „Garantie: Für ein sicheres Funktionieren übernimmt die Herstellerfirma die Garantie. Sollte die Kamera jedoch durch Mißgeschick reparaturbedürftig werden, dann bittet der Hersteller ebenfalls um Einsendung und ist gern bereit, diese entweder kostenlos oder bei geringster Berechnung wieder instand zu setzen.“ Mehr davon demnächst!

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